Mein Jahr an einem englischen Internat
Mein Name ist Karolin und ich bin jetzt 17 Jahre alt. Mein letztes Schuljahr habe ich an einem englischen Internat verbracht, genauer gesagt an der Barnard Castle School in dem gleichnamigen kleinen Ort im Norden Englands. Für mich war eigentlich schon immer klar gewesen, dass ich während der Schulzeit ein Jahr ins Ausland gehen wollte. Auch England stand praktisch schon immer fest. Wieso kann ich nicht genau sagen. Irgendetwas an der Sprache und der Kultur hatte mich neugierig gemacht …
Dementsprechend aufgeregt war ich, als es so langsam auf die 11. Klasse zuging. So nervös und hibbelig wie ich war, haben ich und meine Eltern viel zu früh angefangen, alles zu organisieren: fast 1,5 Jahre im Voraus! Doch im Endeffekt war das gar nicht schlecht, denn so hatten wir genug Zeit, uns alles gut zu überlegen und auch etwaige Verzögerung wie zum Beispiel mit dem Visum haben uns nur ein ganz kleines bisschen aus der Bahn geworfen.
Als ich schließlich von der Mutter einer Freundin gehört hatte, dass man sein Auslandsjahr auch in einem Internat verbringen kann, haben wir uns sofort an die Selbstrecherche gemacht, haben jedoch nach einigem hin und her gemerkt, dass das so nichts bringt. Aus diesem Grund haben wir uns dann schließlich an die Petra Heinemann Schulberatung gewandt, die wir auf einer Messe zuvor kennengelernt hatten. Ab dann ging alles eigentlich relativ schnell, sodass ich, nach zahlreichen E-Mails, Skype Terminen und auch einigen live Besuchen bei Frau Kirschke schon recht bald meine Bewerbung losschicken konnte. Nach der Rückmeldung der Schulen (eine hat bis heute nicht geantwortet) folgte dann noch ein weiteres Skype Gespräch/Interview mit dem Schulleiter und tadaa… ich hatte einen Platz an der Barnard Castle School! Schließlich hatte auch das unruhige Warten ein Ende: Endlich ging es los! Meine erste Erinnerung im Boarding House: wir Neuen saßen mit unserem Head of House im Common Room und haben die Blasen einer gigantischen Knisterfolie zerdrückt. Ich habe mich direkt willkommen gefühlt :-). So sieht es nun einmal aus, wenn man in einem Haus mit fast 45 anderen Mädchen zusammenlebt: Es ist chaotisch und man ist sich nicht immer ganz sicher, was als nächstes passiert.
Doch auch wenn die meisten sehr nett und herzlich waren, war es zu Beginn dennoch schwer. Zwar war es gut, dass sich die meisten im 12. Jahrgang noch nicht kannten (da fiel man nicht so auf), doch es war trotzdem noch ganz schön anstrengend: so viele Informationen und Eindrücke, eine fremde Sprache, die doch so ganz anders ist, als im Unterricht zu Hause und dann musste man ja auch noch Freunde finden und sich die ganzen Namen merken. Hinzu kam dann noch der Unterricht: nur drei Fächer, ein (extrem) straffer Zeitplan sowie höhere Erwartungen, als ich es bisher gewohnt gewesen war. Und dann, als ich langsam realisiert habe, dass dieses Leben jetzt für ein Jahr meine Realität sein würde, kam auch noch das Heimweh dazu. Es ist eine Herausforderung, die man bereit sein muss, anzunehmen.
Doch mit der Zeit wurde es besser. Natürlich war es immer noch anstrengend und ja, manchmal habe ich meine Familie zu Hause so sehr vermisst, dass ich schon beinahe an meiner Entscheidung gezweifelt hätte, doch im Endeffekt war ich damit nie die einzige. Viele der anderen internationalen Schüler konnten meine Situation nachvollziehen. Dadurch, dass man praktisch fast die ganze Zeit zusammen wohnte, war die Gemeinschaft im Boarding House sehr angenehm, sodass ich abends nur runter in die Küche gehen musste und schon habe ich mich zumindest ein kleines Stückchen besser gefühlt. Diese Gemeinschaft ist eine der Dinge, die ich am meisten vermisse zusammen mit meiner Freundin, die aus Hong Kong kommt, jetzt aber schon zur Uni in England geht. Mein Auslandsjahr hatte viele Höhen und Tiefen und ich glaube, dass ich mich dadurch eher weiterentwickelt habe, als wenn alles nur Sonnenschein und Zuckerwatte gewesen wäre. Zum einen habe ich auf der akademischen Seite viel dazugelernt, da ich versucht habe, so viele Angebote wie möglich wahrzunehmen. Wann hat man schließlich je wieder die Möglichkeit, beim Mittagessen über die Abschaffung der Todesstrafe zu diskutieren (Egalitarian Society) oder an einem Wettbewerb für Spanische Flash Fiction der Oxford University teilzunehmen?
Was ich jedoch noch viel wichtiger finde, ist, was dieses eine Jahr mir persönlich gebracht hat. So bin ich zum Beispiel schon immer eher schüchtern und zurückhaltend gewesen. Doch England hat mir geholfen, ein bisschen mehr aus mir heraus zu kommen, meine Stärken und Schwächen zu erkennen sowie alles ein bisschen entspannter zu sehen. Wenn ich ein Jahr alleine im Ausland geschafft habe, dann würde ich den Rest jetzt auch noch schaffen.
Und natürlich bin ich auch zur Teetrinkerin geworden ;-).
Insgesamt kann ich nur sagen, dass ich es jedes Mal wieder so machen würde. Barney ist in diesem einen Jahr zu meinem zweiten zu Hause geworden und ich durfte dort einige der freundlichsten und beeindruckendsten Menschen, die ich je getroffen habe, kennenlernen.
Und das war erst der Anfang, von dem, was ich alles erzählen könnte …
Karolin, November 2022